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Kölner Stadt-Anzeiger vom 1.12.1998

Granatenfund

Exotentrichter wird geräumt

Von Wolfram Schumacher

 

Kehr Beim ersten Versuch - am sogenannten Exotentrichter auf dem Gelände der ehemaligen Munitionsfabrik Espagit zwischen Kehr und Hallschlag zu kratzen. wurden auf einen Schlag 62 Granaten gefunden. 32 davon seien französische 7,5-Zentimeter-Geschosse. die zumindest ,,kampfstoffverdächtig" seien, teilte Wolfgang Konder von der Pressestelle der Bezirksregierung Trier mit.

In der vergangenen Woche war der Boden im Höhengebiet knochenhart gefroren. Diese Gelegenheit ließen die Mitarbeiter der Kampfmittelräumfirma Tauber sich nicht entgehen. Mit einem Bagger rückten sie zum Exotentrichter ins versumpfte Rügelbachtal vor, das normalerweise mit schweren Maschinen gar nicht erreichbar ist. Der Bagger brauchte nicht lange zu kratzen und hatte schon einen großen Granatenstapel freigelegt. Die Landwirte Klaus Quetsch und Manfred Haep, die auf die Grabung im Sumpf aufmerksam geworden waren. trauten ihren Augen nicht, als sie den Granatenstapel sahen. Kein Wunder, meint der Entdecker der Altlast, Gunther Heerwagen. daß die Probegrabungen unverzüglich abgebrochen wurden.

Zweck erfüllt

Die Probegrabung sei unter anderem abgebrochen worden erklärte Konder weil die Landwirte mit der Nase" dabeigestanden hätten. Außerdem habe die Grabung ihren Zweck erfüllt. Zum einen sei es darum gegangen die geologische Beschaffenheit des Erdreichs zu erkunden, dann um Bodenproben zu nehmen, und natürlich, um nach Granaten zu forschen. Denn den ,,Exotentrichter" habe man bisher nur aus alten Unterlagen gekannt.

Heerwagen hatte von Anfang an vermutet, daß in diesem verfüllten Trichter unzählige Giftgasgranaten vor sich hinrotten. Er hat dort mit einem Metalldetektor sondiert und starke Ausschläge des Meßgeräts registriert. Heerwagen hatte seit 1988 die Behörden immer wieder aufgefordert, zuerst da zu suchen, wo Menschen wohnen und arbeiten, und nicht auf dem eingezäunten Gelände der Munitionsfabrik.

 

Sondierung verboten

Doch die Bezirksregierung sah keine Veranlassung, den Anregungen nachzugehen. Man erließ lediglich eine Gefahrenabwehrverordnung, die weitere Sondierungen durch ,,Unbefugte" unter empfind1iche Strafen stellt. Heerwagen hatte daraufhin nicht mehr auf dem Gelände, sondern in alten Gerichtsakten ,,sondiert" und beispielsweise eine Aussage eines Feuerwerkers vom Oktober 1927 gefunden: Danach wurde der Exotentrichter mit 10 000 amerikanischen Gasgranaten, 500 000 Sprengkapseln, 50 scharfen 21-Zentimeter-Granaten, 50 000 scharfen Zündern und 8000 Sprengstoffgranaten gefüllt.

Vor allem die riesigen Mengen von Sprengkapseln, Zündern und ,,Mundlochbuchsen", mit denen im ersten Weltkrieg die Giftgasgranaten verschlossen wurden, sind für Heerwagen ein Hinweis, daß die chemischen Kampfstoffe nicht nur vergraben wurden. Offenbar habe man auch große Mengen von Granaten demontiert und die darin enthaltenen Schadstoffe ,,entsorgt". also vermutlich verbrannt, und die vornehmlich aus Dioxinen bestehenden Abgase ,,aus dem Schornstein gepustet".

Das seien ,,völlig unbestätigte reine Vermutungen". erklärte Wolfgang Konder. Allerdings wurden schon 1991 ,,leicht erhöhte" Dioxinwerte in Kehr gemessen. Der Exotentrichter, so Wolfgang Konder, werde nach dem Granatenfund wohl geräumt werden müssen. Wie das vor sich gehen soll, müsse von den Experten noch untersucht werden.