Kölner Stadt-Anzeiger vom 18.12.1998
Rüstungsaltlast
,,Vertuschen und Verschweigen"
Hustedt fordert Totalsanierung der Espagit — Höhn referierte im Landtag
Von Franz Albert Heinen
Kreis Euskirchen/Kehr — "Länderübergreifender Umweltskandal durch TNT-haltiges Wasser der ehemaligen Munitionsfabrik Espagit bei Hallschlag": Unter diesem Titel befaßte sich der Umweltausschuß des Düsseldorfer Landtages auf Antrag der CDU nichtöffentlich in einer ,,aktuellen Viertelstunde" mit der Rüstungsaltlast an der Kreisgrenze bei Kehr. Ministerin Bärbel Höhn berichtete über Vorgeschichte sowie aktuelle Probleme. Der Kreis Euskirchen habe ihr von zeitweiligem unkontrolliertem Abfluß von möglicherweise kontaminiertem Regenwasser berichtet. Obwohl der Kreis die Trierer Bezirksregierung ,,dringend" aufgefordert habe, dies zu unterbinden, sei es erneut zu unkontrolliertem Abfluß gekommen.
,,Mit Nachdruck"
Die Landesregierung teile die Befürchtung des Kreises Euskirchen, daß es dadurch zu Beeinträchtigungen des Fremdenverkehrs am Kronenburger See kommen könne. Daher habe Ministerin Höhn einen Brief an ihre rheinland-pfälzische Kollegin Claudia Martini geschrieben. Darin habe sie sich ,,mit Nachdruck dafür eingesetzt, daß die Belange Nordrhein-Westfalens in wasserwirtschaftlicher Hinsicht beachtet werden".
Wichtig sei, daß die vom Kreis Euskirchen bereits im Dezember 1997 vorgetragenen Anregungen und Bedenken bei der Sanierung berücksichtigt wurden. Unter anderem habe der Kreis die Frage auf-
geworfen, ob die ,,Klerfer Schichten" (laut Landtagsprotokoll ,,Klärverschichten") durch Kanal- und Kellerbaumaßnahmen durchbrochen wurden. Das könnte nämlich bedeuten, daß belastetes Regenwasser durch die ansonsten wasserdichte Bodenschicht in tiefere Bodenschichten eindringen könnte.
Der Abgeordnete Clemens Pick (CDU) wollte wissen, ob Belastungsmessungen am Kronenburger See vorgenommen wurden und welche Grenzwerte zugrunde gelegt wurden. Bislang habe man keine Belastungen erkennen können, teilte Dr. Friedrich vom Umweltministerium mit. Aber als
Grenzwerte für die Diskussion zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz seien im Schreiben der Unteren Wasserbehörde die Werte der Trinkwasserverordnung zugrunde gelegt worden.
Clemens Pick meinte abschließend, daß er den Ausführungen der Ministerin den Verdacht entnommen habe, daß das Grundwasser und damit die Trinkwasserquellen oder -brunnen auf nordrhein-westfälischem Gebiet beeinträchtigt werden könnten.
Klarheit über die Gefahr, die tatsächlich von dem aus dem Espagit-Gelände abfließenden Wasser ausgeht, erhofft sich die Trierer Bezirksregierung jetzt von einer TNT
Analyse durch das bekannte Institut Fresenius. Den Anstoß dazu lieferte, wie bereits berichtet, der Birgeler Kommunalpolitiker Gunther Heerwagen durch einen TNTSchnelltest, den er am Sonntag am Rande der Altlast durchgeführt hatte.
,,Politikum"
Gestern forderte die grüne Bundestagsabgeordnete Michaele Hustedt: ,,Das Vertuschen, Verschweigen und Verschließen bei dieser Altlast muß ein Ende haben" Seit Jahren gäbe es genug Hinweise, daß von der ehemaligen Munitionsfabrik enorme Gefahren für Mensch und Natur ausgingen. Allein der begründete Verdacht, daß eine Häufung von Krebsfällen in der Umgebung in einem Zusammenhang mit der Altlast oder den dort stattgefundenen Verbrennungen von Munition stehen könnte, zwinge zum Handeln. Hustedt weiter: ,,Wenn dann auch heute noch mittels eines einfachen Tests von Gunther Heerwagen jüngst TNT im vom Gelände abfließenden Oberflächenwasser nachgewiesen werden kann, dann wird das jahrelange Nicht-Handeln der rheinland-pfälzischen Behörden zum Politikum." Um jede weitere Gefahr zu vermeiden, müsse die Totalsanierung des Geländes angegangen werden.
Die Eifel-Urlauber müßten davon überzeugt sein, daß sie nicht etwa beim Spaziergang über Giftgasgranaten laufen. Fazit: ,,Es wird nach achtzig Jahren Zeit, auch in Hallschlag und Umgebung die gefährliche Hinterlassenschaft des Ersten Weltkriegs zu beseitigen."
DIE KRIPO zog Wasserproben am Rande der Altlast Espagit. Analysiert
werden jedoch Proben der Bezirksregierung (Bild Heinen)