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Kölner Stadtanzeiger Eifelausgabe Euskirchen 24.12.1998

 

Rüstungsaltlast

Sprengstoff nachgewiesen

Hochgradig verseuchtes Wasser im Espagit-Kanal

Von Franz Albert Heinen

Kreis Euskirchen/Kehr - 520 Mikrogramm des Sprengstoffs TNT pro Liter Wasser verlassen durch die alte Werkskanalisation das Gelände des früheren Espagit-Werks bei Kehr. Das ergab eine Analyse des renommierten Instituts Fresenius im Auftrag der Trierer Bezirksregierung. Damit ist erstmals erwiesen, daß aus dem Werksgelände hochgradig vergiftetes Wasser abfließt. Die Brühe gelangt, über Nebenbäche stark verdünnt, in den Kronenburger See. Damit sind die Messungen des Birgeler Politikers Gunther Heerwagen bei weitem übertroffen worden, der vor zehn Tagen mit einem TNT-Schnelltest lediglich rund 30 Mikrogramm Belastung ermittelt hatte.

Konkrete gesetzliche Grenzwerte für die Einleitung von TNT in Gewässer gibt es nach Angaben des Referatsleiters Dörr beim Bundesumweltministerium nicht. Anhaltspunkte Für eine Einordnung der an der Espagit gemessenen Werte liefert jedoch die Presseinformation 1 7 95 vom Umweltbundesamt: Bei Trinkwasser gilt danach ein "Richtwert" für sprengstofftypische Verbindungen von maximal 0,1 Mikrogramm pro Liter. Das ist nach Angaben des Amtes ein "Vorsorgewert" der zur Abwehr unwägbarer, toxikologisch nicht bewertbarer Risiken für wahrscheinliche Humankarzinogene dient. Das Espagit-Wasser das in ein Fließgewässer gelangt, ist also um ein Vielhundertfaches stärker belastet, als der Trinkwasser-Vorsorgewert vorgibt.

Zwar wird das von der Espagit abfließende Wasser nicht als Trinkwasser für Menschen genutzt, aber immerhin baden Menschen im Kronenburger See in dem sich letztlich das sprengstoffbelastete Wasser wiederfindet, wenngleich nicht mehr nachweisbar, weil extrem verdünnt. Erstmals mußte die Trierer Bezirksregierung jetzt öffentlich einräumen. daß kontaminiertes Wasser aus dem Werksgelände nach außen dringt. Allerdings verkauft die Behörde die schlechte Nachricht unter der scheinbar frohen Botschaft: "Keine TNT-Belastung im Seifenbach!" Aktuelle Messungen in diesem Bach unterhalb der Espagit hätten keine TNT-Belastungen ergeben. Fresenius habe lediglich für die "Summe der sprengstofftypischen Verbindungen" Werte von maximal 25 Mikrogramm ermittelt. Beim Trinkwasser, so räumt auch die Bezirksregierung ein, läge der Summenrichtwert bei zehn Mikrogramm pro Liter.

Weiter gab die Bezirksregierung die Analyseergebnisse von vier Wasserproben bekannt, die auf Grund von Heerwagens Schnellanalyse von der Kripo veranlaßt wurden. Diese Proben wurden jeweils am Rande der Espagit entnommen, drei davon außerhalb des Sperrgebietes. Die Messungen ergaben TNT-Belastungen von 30, 98 und 190 Mikrogramm. Den höchsten Wert ermittelten die Chemiker allerdings bei dem alten Werksabfluß mit 520 Mikrogramm. Die Bezirksregierung räumt ein, daß sie vor Jahren schon im Kanalsystem der Espagit Werte von bis zu 12 000 Mikrogramm gemessen hat. Gleichwohl sei auch damals weniger als ein Mikrogramm pro Liter im Seifenbach gemessen worden.

Starke Blutgifte

Das Umweltbundesamt führte bereits 1995 aus, sprengstofftypische Verbindungen, sind meist starke Blutgifte und stehen großenteils in Verdacht, beim Menschen Krebs zu verursachen".

Der Kreis Euskirchen hatte jahrelang das Gefühl, von den Rheinland-Pfälzern nur unzulänglich informiert zu werden. Berichte über das von der Espagit abfließende TNT-Wasser ließen die Spitzen von Politik und Verwaltung allerdings in die Gänge kommen. Mit Hilfe der Düsseldorfer Umweltministerin Bärbel Höhn forderte der Kreis bessere Informationen an. Außerdem wurde die Zuständigkeit verwaltungsintern von der Unteren

Wasserbehörde auf das Abfallamt von Franz Unterstetter erweitert. Seither ist hinter den Kulissen einiges in Bewegung geraten. Mitte Januar wird es einen behördeninternen Ortstermin auf dem Espagit-Gelände geben, wo die offenen Fragen diskutiert werden sollen.

Allerdings hat der Kreis jetzt selbst einen ausgewiesenen Fachmann in Sachen Rüstungsaltlasten verpflichtet: den Marburger Chemiker Dr. Rainer Haas. Der hat über Spreng- und Kampfstoffe promoviert, auf allen größeren Rüstungsaltlasten Deutschlands mitgeforscht, und bei der Espagit kennt er sich bestens aus. Der Marburger hat unter anderem den vom Umweltbundesamt herausgegebenen Band IV des Explosivstofflexikons geschrieben, in dem nachzulesen ist, daß Fische bei einer Wasserbelastung von einem Milligramm TNT pro Liter sterben. Aus dem alten Kanal der Espagit strömt immerhin ein halbes Milligramm. und nach Angaben der Bezirksregierung wurden zeitweilig auch schon zwölf Milligramm im Kanal gemessen. Haas soll im Auftrag des Kreises feststellen. ob und wo die Entnahme von Wasser- und Sedimentproben sinnvoll ist. Gegebenenfalls will der Kreis auf die Installation dieser ständigen Meßanlage pochen, um Bescheid zu wissen, wenn sich größere Belastungen Richtung Kronenburger See wälzen.