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Kölnische Rundschau vom 2.12.1998

Allgemeinmediziner machte in den 80er Jahren eine beunruhigende Beobachtung

Kreisgesundheitsamt warnt vor den Tücken der Statistik

 

Krebsfälle häuften sich in einer Dahlemer Straße

Von Christoph Heup

Dahlem. Mit einem Brief an das Kreisgesundheitsamt in Euskirchen will Gunther Heerwagen, Grünen Ratsherr im Verbandsgemeinderat Obere Kyll, ergründen, ob es in der Region um die ehemalige Espagit Munitionsfabrik ,,Op Kehr" zu auffälligen Häufungen von Krebserkrankungen gekommen ist. Davon will Heerwagen bereits vor Jahren Kenntnis erlangt haben.

Im Verdacht hat er die Verbrennung einer hohen Zahl von Giftgasgranaten in der Zeit von l9l8 bis 1920 im 30 bis 40 Meter hohen Fabrikschornstein der Espagit Munitionsfabrik bei Kehr. Bei der Verbrennung von chlorhaltigen Verbindungen könnten Dioxine entstanden und durch den Schornstein auch in der weiteren Umgehung verbreitet worden sein.

Auslöser für Heerwagens Anfrage war eine Beobachtung, die der ehemalige Dahlemer Arzt Dr. Franz-Rudolf Woll in den 80er Jahren in Dahlem machte. Woll, der mittlerweile in Konz bei Trier praktiziert, bestätigte gestern auf Nachfrage der ,,Rundschau" Heerwagens Darstellung.

Er habe von 1983 bis 1988 eine Praxis in Dahlem gehabt. In dieser Zeit sei ihm eine anormale Häufung von Krebserkrankungen auf einer einzigen Straßenseite, und zwar von der Kirche in Richtung B 51 aufgefallen. ,,Da war beinahe jedes Haus betroffen", erinnert sich der Mediziner noch sehr gut. Rund ein Dutzend Karzinome aller Art habe er in den fünfeinhalb Jahren in diesem Bereich gehabt, fast alle betroffenen Patienten, überwiegend im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, seien gestorben.

Zeitweise habe er überlegt, dieses Phänomen in einer Untersuchung aufzuarbeiten, woraus aber durch seinen Umzug nach Konz nichts geworden sei. In Gesprächen mit Dahlemer Bürgern seien ihm damals zwei Hypothesen genannt worden. So mutmaßte man im Ort, daß ein entlang dieser Straße verlaufender, teilweise überbauter Bach schuld daran sein könne. andere sahen im dahinter liegenden Hügel eine mögliche durch die Erde bedingte Belastung.

Der Nachfolger Dr. Wolls, Dr. Dieter Hodecker, machte eine derartige Beobachtung nicht. Hodecker hat, wie er gestern auf unsere Anfrage erklärte, in den vergangenen zehn Jahren keine derartige räumliche Konzentration von Krebserkrankungen oder auch anderer schwerer Erkrankungen ausmachen können.

Dr. Walter Pesch vom Kreisgesundheitsamt warnte vor übereilten Schlußfolgerungen. Eine solch konkrete Statistik für einzelne Orte oder Ortsteile gebe es nicht. Auch eine Statistik, wie es sie für den Kreis insgesamt gebe, sei nur bedingt aussagekräftig.

In einem Krebsatlas, den die Zeitschrift ,,Stern" vor geraumer Zeit veröffentlichte, war der Kreis Euskirchen mit einem erhöhten Anteil an Krebserkrankungen dargestellt. Das lasse aber nicht den Rückschluß zu, daß hier die Gefahr größer sei, an einem Krebs zu erkranken, wies Dr. Pesch auf die Tücken und Stolpersteine statistischen Datenmaterials hin. Eine

geogene Belastung sei nur eine denkbare Möglichkeit. Doch sei es auch so, daß der Kreis Euskirchen, hier vor allem die Eifel, vielfach als Altersruhesitz von Bürgern gewählt werde, die ihr Leben in der Großstadt verbrachten. Und in dieser Gruppe sei der Anteil der Krebserkrankungen möglicherweise höher.

Es gebe immer wieder mal Spekulationen in der Bevölkerung, wenn es irgendwo zu einer Häufung von Krebserkrankungen komme. So einen Fall habe er vor Jahren auch schon mal in Dreiborn gehabt. Bereits eine gesicherte Bestätigung einer Häufung sei äußerst schwierig und höchstens in Form von Forschungsarbeiten zu erbringen.

Ob Heerwagens Hypothese von der Dioxinbelastung durch die Verbrennung von Giftgasgranaten stichhaltig ist, mochte Dr. Pesch so nicht beurteilen. Ein Nachforschen werde sich als sehr schwierig erweisen. Er erinnerte außerdem an die lange Zeit, die seit der Verbrennung der Granaten ins Land gegangen sei.

Wenn eine solche Beobachtung aber jetzt gemeldet werde, befasse sich das Kreisgesundheitsamt damit.