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Herstellung von Sprengstoffen bei der Espagit

TNT—Herstellung

Die Espagit AG produzierte Trinitrotoluol (TNT) im sog. Chargenverfahren. Der nachfolgend beschriebene Produktionsablauf entspricht dem damaligen Stand der Technik und stimmt weitgehend mit den ... verzeichneten Gebäudefunktionen überein.

 

 

Nitrierung

 

Im Nitrierhaus (Nitrierhaus 1 oder 2 -... ) erfolgte die Nitrierung des Grundstoffes Toluol in zwei oder drei Schritten. Das mit Kesselwaggons angelieferte Toluol wurde vermutlich im Gebäude der Säureeinstellung gelagert; hier fand gleichzeitig die Herstellung der zur Nitrierung erforderlichen Mischsäure aus Schwefel- und Salpetersäure (etwa im Verhältnis 3:1) statt.

 

Die zur damaligen Zeit gebräuchlichste Methode war die zweistufige Nitrierung des Toluol zum Trinitrotoluol. Hierbei wurde Toluol mit Hilfe von Nitrier- bzw. Abfallsäure (s.u.) im ersten Schritt zu Dinitrotoluol (DNT) verarbeitet. 500 kg Toluol und 3.300 kg Nitriersäure ergaben 980 kg DNT. Die Reaktion erfolgte in Nitrierkesseln mit Rührwerk und dauerte 4 — 8 Stunden.

 

Nach der ersten Nitrierung wurde der Kesselinhalt in verbleite Scheidegefäße abgelassen, wo das dem Säuregemisch aufschwimmende DNT abgetrennt wurde. Die Abfallsäure wurde zum Abfallsäurelager (...) gepumpt, wo nach einer Verweilzeit von mindestens einer Woche erneut DNT abgetrennt werden konnte.

 

Das in der ersten Nitrierstufe gewonnene DNT gelangte anschließend in die Kessel der zweiten Nitrierstufe. 980 kg DNT wurden mit 2.650 kg Nitriersäure (Schwefel-, Salpetersäure und Oleum) zu ca. 1.060 kg Roh-TNT verarbeitet. Die Nitrierdauer betrug 2 — 2,5 Stunden.

 

Nach dem Ablassen in Scheidebehälter erfolgte die Abtrennung der TNT-Abfallsäure, die ca. 25 % der gesamten TNT - Menge enthielt. Diese Abfallsäure kam nicht in den Säurebetrieb (...), sondern wurde zwischengelagert und in der ersten Nitrierstufe wiederverwendet.

 

 

TNT-Wäsche

 

Das Roh-TNT wurde über oberirdische Rohrleitungen in das Waschhaus gedrückt (...). Dort fand in mehreren, hintereinandergeschalteten Kesseln die Wäsche des flüssigen TNT mit heißem Wasser statt. Durch Bleischlangen strömte Wasserdampf in die Waschkessel und bewirkte die Durchmischung von TNT und Waschwasser. Das verbrauchte Waschwasser der letzten Reinigungsstufe wurde für die erste Stufe wiederverwendet, während die weiteren Wäschen mit Frischwasser erfolgten. Bei einer dreimaligen Wäsche benötigte man für 1.000 kg TNT ca. 5.000 Liter Frischwasser.

 

Die in großen Mengen anfallenden sauren Abwässer der TNT - Wäsche enthielten Nitrotoluole, die sich beim Abkühlen und Verdünnen des Waschwassers als Schlamm absetzten. Die Waschwässer durchliefen deshalb eine Reihe von Kühl- und Verdünnungsbottichen und anschließend sog. Sedimentierkästen, bevor sie in die Kanalisation abgelassen wurden.

Der in den Sedimentierkästen anfallende "Trischlamm" (Tri = TNT) konnte abgeschöpft und weiterverarbeitet werden.

 

Zur Weiterverarbeitung des bis zur neutralen Reaktion gewaschenen Roh - TNT gibt es zwei unterschiedliche Verfahren, die vermutlich beide im Werk der Espagit AG angewandt wurden.

 

TNT-Granulierung

 

Das Roh-TNT wurde unmittelbar nach der Wäsche granuliert. Bei diesem Verfahren lief das flüssige Produkt direkt aus der Waschapparatur in kaltes, bewegtes Wasser, wobei das TNT in Form rundlicher Körner erstarrte. Das so gewonnene Granulat genügte den Anforderungen für eine gewerbliche Verwendung des TNT, enthielt jedoch neben dem symmetrischen 2,4,6—Trinitrotoluol noch dessen asymmetrische Isomere.

Während gut gewaschenes Rohprodukt unbedenklich für die meisten Zwecke angewandt werden kann, wenn es, wie im Kriege schnell und vorweg verbraucht wird, erfordert lagerungsbeständige und vor allem schußsichere Munition einen hohen Reinheitsgrad." (Stettbacher 1933)

Der höhere Reinheitsgrad des TNT wurde durch die Umkristallisation des TNT mit Hilfe von Lösungsmitteln erreicht.

 

 

TNT-Umkristallisation

 

Bei diesem Verfahren wurde das flüssige Roh-TNT nach der Wäsche in Tontröge abgelassen, wo es nach 6 — 8 Stunden zu Blöcken erstarrte.

 

Die Umkristallisation erfolgte im Lösehaus (...), einem mehrstöckigen Gebäude, in dem der Verfahrensablauf von oben nach unten erfolgte.

Das sog. Blocktri wurde in faustgroße Stücke zerkleinert und in einen Lösekessel gefüllt. Für 500 kg TNT waren 2.500 - 2.600 Liter Lösungsmittel, bestehend aus 92 Teilen Alkohol und 8 Teilen Benzol, erforderlich. Nach dem Lösungsvorgang wurde der Kesselinhalt über einen Filter in den Kristallisierapparat abgelassen, wo in 6 — 8 Stunden die Ausscheidung des TNT erfolgte. Anschließend wurde das TNT mit Hilfe von Nutschen und Zentrifugen vollständig von der sog. Mutterlauge (s.u.) befreit.

Die Entfernung der verbliebenen Lösemittelrückstände erfolgte im Dampftrockenschrank (Trockenschrankanlage ...). Dort wurde das TNT zum Trocknen auf Holzschubladen ausgebreitet und umgeschaufelt. Nach 6 - 7 Stunden erhielt man das Endprodukt ,,Kristalltri", ein gelb bis weißes Kristallpulver. Die Ausbeute betrug ca. 80 % des eingesetzten Roh-TNT, d.h. 20 % TNT verblieben in der sog. Mutterlauge, die in der Rektifizierung (...) aufgearbeitet wurde.

Da im Werk der Espagit AG ab. 1917 Beutemunition delaboriert wurde, ist auch die Umkristallisation von hierbei zurückgewonnenem TNT denkbar. In welchem Umfang Roh-TNT aus der eigenen Produktion oder Beute -TNT umkristallisiert wurde, ist den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen.-

 

 

Lösungsmittelrektifikation

 

Die Regenerierung der im Lösehaus anfallenden Alkohollaugen (sog. Mutterlauge) und die Abtrennung der enthaltenen TNT - Rückstände fand im mehrstöckigen Gebäude der Rektifizierung statt (...). Mit Hilfe einer durch Dampf zufuhr beheizten Destilliersäule und einer darüber angeordneten Rektifizierkolonne wurden die Lösungsmittel (Alkohol, Benzol) getrennt und zurückgewonnen. Die Restflüssigkeit lief in einen Abscheidebehälter, in dem die TNT-Rückstände wiederum abgetrennt werden konnten.

Das Gebäude der Rektifizierung wird in vorliegenden Archivalien auch als ,,Destillationsturm für Benzol" bezeichnet.

 

 

Allgemeines zur TNT-Herstellung

 

Der genaue Zeitpunkt der Aufnahme der TNT-Produktion ist nicht bekannt. Nach den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, daß die Espagit AG von 1915 bis zum Kriegsende in 1918 mit nur kurzen Unterbrechungen TNT hergestellt hat.

 

Der größte Teil des erzeugten TNT wurde direkt im Werk weiterverarbeitet, d.h. in Munition abgefüllt (...). Ein kleinerer Teil wurde als Granulat versandt, u.a. an Sprengstoffabriken in Saarwellingen und Sythen (Westfalen).

 

DNB—Herstellung

 

Die Herstellung des Dinitrobenzols (DNB) erfolgte in ähnlicher Weise wie die TNT-Herstellung.

Im Nitriergebäude (Nitrierhaus 1 oder II —...) wurde der angelieferte Grundstoff Benzol mit Nitriersäure in zwei Schritten über Nitrobenzol oder in einem Schritt direkt zu DNB verarbeitet. Beim zweistufigen Verfahren verwandte man die Abfallsäure aus dem zweiten Schritt für die erste Nitrierstufe. Bei der direkten Nitrierung von Benzol zu DNB wurden z.B. 400 kg Benzol und 2.400 kg Nitriersäure eingesetzt.

Nach der Nitrierung erfolgte die Abtrennung der Abfallsäure (...).

DNB mußte anschließend im Waschhaus (...) oft und gründlich mit heißem Wasser gewaschen werden, da die Entfernung der Säuren schwieriger ist als bei TNT. In der Literatur wird im Zusammenhang mit der DNB-Wäsche auf die starke Giftwirkung von DNB hingewiesen, da sich die flüchtigen Bestandteile mit dem Wasserdampf ausbreiten konnten. Die stark verunreinigten Abwässer der DNB-Wäsche wurden wie bei der TNT-Wäsche behandelt (...) bevor sie in die Kanalisation abgelassen wurden.

Nach dem sog. Neutralwaschen erfolgte die Granulierung durch Einlauf in kaltes Wasser. Die feuchte, granulierte Masse wurde geschleudert und anschließend im Trockenhaus getrocknet (Trockenanlage bzw. Trockenschrankanlage —... ). Aus vorliegenden Quellen geht hervor, daß im Werk der Espagit AG ein eigenes Trockenhaus für ,,Bizol" (= DNB) existiert hat. Das Endprodukt (DNB als Isomerengemisch) war ohne weitere Reinigung zur Munitionsfüllung zu verwenden.

 

Der genaue Zeitraum der DNB—Herstellung in Hallschlag konnte anhand der vorliegenden Unterlagen nicht ermittelt werden. Aus einem Schreiben des RP Trier vom 13.06.1917 geht hervor, ,,daß die noch ausstehende Genehmigung für die Herstellung von Dinitrobenzol keinesfalls wird erteilt werden können, bevor die Angelegenheit der Abwasserreinigung einigermaßen abschließend erledigt ist." Es ist jedoch davon auszugehen, daß die DNB—Herstellung bereits vor Erteilung der entsprechenden Genehmigung aufgenommen wurde, da einem Gutachten der Königlichen Landesanstalt für Wasserhygiene vom 20.10.1917 zu entnehmen ist, daß die DNB-Produktion bereits vor Juli 1917 lief und die entsprechenden Abwässer anfielen.

 

Das erzeugte DNB wurde ebenso wie TNT größtenteils direkt im Werk in Munition abgefüllt.

 

 

 

Säure - Betrieb

 

Im Säurebetrieb erfolgte die Lagerung und Aufarbeitung der bei der TNT- und DNB-Herstellung anfallenden Abfallsäuren sowie die Herstellung der Nitriersäuren. Zum Säure-Betrieb werden die im Plan ... verzeichneten Gebäude der Säureeinstellung, Säurestation, Denitrierung und Schwefelsäureaufkonzentration gerechnet.

 

Im Gebäude der Säureeinstellung lagerten die Säuren in waagerechten Tanks (...). Hier wurden die aus Schwefel- und Salpetersäure bestehenden Nitriersäuren hergestellt. Vermutlich lagerten in diesem Gebäude, das einen direkten Bahnanschluß besaß, auch die Grundstoffe Toluol und Benzol, bevor diese in die Nitrierhäuser gepumpt wurden.

Die bei der TNT- und DNB-Herstellung anfallenden Abfallsäuren wurden zur Säurestation gepumpt und dort gespeichert, um die enthaltenen Sprengstoffreste nach Abkühlung und Auskristallisation abscheiden zu können. Es ist davon auszugehen, daß die in einem Schreiben der Gewerbeinspektion Trier vom 07.06.1920 (...) beschriebene Zylinderstation mit der Säurestation identisch war. Hiernach wurden die Abfallsäuren in insgesamt 16 senkrechten Zylindern von jeweils 8 m Höhe und 2,30 m Durchmesser gelagert.

 

Die Abfallsäure wurde anschließend in das Gebäude der Denitrierung gepumpt, wo sie in Denitrierungskolonnen unter Dampfeinwirkung wieder in Schwefel- und Salpetersäure aufgetrennt wurde. Gleichzeitig konnte in der Denitrierung die Hochkonzentration der Salpetersäure erfolgen, die anschließend wieder zur Herstellung von Nitriersäure Verwendung fand. Nach vorliegenden Unterlagen benötigte die Espagit AG für den Betrieb der Denitrierung monatlich 500 Tonnen Koks.

Die zur Wiederverwendung der anfallenden Schwefelsäure erforderliche Hochkonzentration wurde nach. vorliegenden Akten nicht oder nur teilweise im Werk vorgenommen. Im Frühjahr 1917 war die Schwefelsäure—Aufkonzentration noch nicht fertiggestellt. Aus einem Schreiben der Espagit AG vom 18.02.1918 geht hervor, daß die bei der Denitrierung anfallende 55 — 57 %ige Abfallsäure zwecks Hochkonzentration an die Chemische Industrie Bochum geliefert wurde.

 

Quelle: Ehemalige Sprengstoffabrik Espagit AG bei Hallschlag/Eifel

Historisch Deskriptive Untersuchung zur Eingrenzung potentiell kontaminierter Bereiche" gefertigt von der Planungsgesellschaft Boden & Umwelt mbH aus Kassel (1989/90)

 

Diese Studie wird seit 1990 von den rheinland-pfälzischen Behörden unter Verschluss gehalten.

 

 Mehr zu Spreng- und Chemischen Kampfstoffen können Sie auf der Homepage von Dr. Rainer Haas, Marburg, entnehmen

 

http//:www.r-haas.de